»Die Schöpfung: Am sechsten Tag schuf Gott die Tiere und am Ende ihrer Gestaltwerdung den Menschen, sie alle beherrschend, nach seinem Bild. Doch der Mensch war verdorben und gewalttätig, so vertilgte Gott von dem Erdboden, was er gemacht hatte.
Die neue Welt: Alleine Noah fand in den Augen des Herrn Gnade, und seine Gottergebenheit rettete Mensch und Tier vor der Vernichtung. Ein zweites Leben begann. Zurück blieb der Regenbogen als Zeichen des Bundes zwischen Mensch und Gott – ein Lichtzeichen der Zuversicht und der Erinnerung nach der Sintflut.
„Ende und Wiederbeginn“ sind der Titel und das Thema der Ausstellung, die Gerd Reutter seinen in den letzten zwei Jahren aus Ton entstandenen Skulpturen gegeben hat. Unter ihnen „Arca“ (2003), eine archaisch anmutende, geöffnete Kiste, ein fragmentierter architektonischer Raumkörper, in den der Blick hineingesogen wird. Ein geschlossener Raum – ein uneinsehbarer, geheimnisvoller Ort – ist diesem sich nach unten verjüngenden Kasten an einer inneren Seitenwand eingestellt. Obschon nach oben geöffnet, verschatten zwei auf unterschiedlicher Höhe eingefügte Abschlussfragmente den Innenraum leicht. Die eine hindert den neugierigen, von oben hineinschauenden Blick, die andere lädt gleichsam als Trittbrett ein, sich in das Innere hineinzubegeben. Ganz nebenbei, aber doch bestimmt, weist die Dreigliederung der Seitenwände darauf hin, was hier in einer zeichenhaften Neuaneignung von Gerd Reutter gezeigt wird: „Mache Dir einen Kasten von Tannenholz und mache Kammern darin und verpiche ihn mit Pech inwendig und auswendig. Und mache ihn also: 300 Ellen sei die Länge, 50 Ellen die Weite und 30 Ellen die Höhe. Ein Fenster sollst du daran machen, obenan, eine Elle groß. Die Tür sollst du mitten in seine Seite setzen. Und er soll drei Boden haben: einen unten, den andern in der Mitte, den dritten in der Höhe. Denn siehe, ich will eine Sintflut mit Wasser kommen lassen auf Erden (...).“ (1. Mos. 6, 14 ff.)
Auch wenn ein Geheimnis nun gelüftet zu sein scheint, der geheimnisvolle offene Kasten (lat. arca) ist mehr als die Umsetzung einer als Urmodell aus vorhistorischer Zeit geretteten Arche. „Arca“ ist ein im wahrsten Sinne des Wortes offener Behälter für Ideen, der sowohl die plastische Gestaltungsvielfalt behandelt als auch den Weg einer symbolischen Weltdeutung beschreitet.«
Dr. Rainer Lawicki