»Seit Jahr Millionen kreisen die sternartigen Objekte auf eigenen Bahnen um die Sonne. Ihre Masse ist zu gering, um die Massegesetze so wirken zu lassen, dass sie – wie die Planeten - eine runde Form erlangen würden. Derart folgen unzählige meist unförmige Brocken aus Stein, unterschiedlichen Mineralien, Kohlenstoff und bisweilen Wasser ihren ellipsoiden Wegen als Asteroiden durch das All. Die meisten von Ihnen befinden sich im sogenannten Hauptgürtel zischen Mars und Jupiter. Aber es gibt auch außerhalb des Gürtels sich bewegende kleine Himmelskörper, die sich der Erde oder den anderen Planeten nähern.
Gerd Reutter hat sich dem kosmischen Thema gewidmet, und über mehrere Jahre eine große Zahl von „Himmelskörpern“ geschaffen. Bei den eigenwilligen Objekten wiederholt sich keine Form, sie scheinen einer eigenen Gesetzmäßigkeit zu folgen. Fast alle vom Künstler geschaffenen Körpern bewegen sich auf einer ellipsoiden Bahn. Dafür hat der Künstler einen über 5 Meter langen Metallstab in Form einer offenen Ellipse biegen lassen. Auf diesen Stab sind dann die unterschiedlichen, schweren Elemente so aufgefädelt, dass sie sich mal akkumulierend, mal als Einzelstücke auf der vorgegebenen Linie zu bewegen scheinen. Allein im Zenit, am höchsten Punkt des Gürtels gibt es eine Ansammlung dicht gedrängter Körper, die sich außerhalb der Bahn bewegen. Dabei folgen die Körper einer plastischen Choreographie, die einen sichtbaren Höhepunkt hat und den Eindruck einer schwebend gehaltenen Bewegung vermittelt.
In der für den Keramikkünstler Gerd Reutter charakteristischen Arbeitsweise verwendet er grobsandigen Ton, der eine raue Oberfläche entstehen lässt. Diese wiederum bestreicht er mit teilweise ebenso großkörnig gemischten Engoben, wodurch unterschiedliche, erd- oder gesteinsähnliche Farben entstehen. Die Körper vermitteln den Eindruck einer langen Entstehungsgeschichte und der Verwitterung. Auch wenn im Weltall das Phänomen der Verwitterung in dieser Form nicht existiert, so hat doch die Zeit, deren Dauer mit abermillionen Millionen Jahren weit außerhalb unserer Vorstellungskraft liegt, ihre Spuren in die Oberfläche eingeschrieben. Niemand weiß so richtig, wodurch sie entstanden sind.
Die Körper wirken, als wären sie durch ein Feuer an der Oberfläche verbrannt, so dass sie jetzt mit Ascheresten überzogen sind. Andere weisen rötliche oder andere Farben auf, die an metallische Bestandteile erinnern. Grobe Spuren haben sich wie geprägte Muster in ihre Oberflächen eingegraben. Einige der auf die ellipsoid gebogene Eisenstange aufgefädelten Objekte wirken, als habe ein Sphärensturm sie abgeschliffen, wieder andere sind aufgerissen, haben eine durchfurchte, verletzte Oberfläche. Wie auf eine unregelmäßige Perlenkette sind jedoch nicht nur kompakte Körper aufgezogen, sondern auch runde Hohlkörper, die aus zwei Schalen zusammengebacken scheinen. Insbesondere am oberen Scheitelpunkt sind auch halbkugelige, schalenartige Objekte zu sehen, die wie ausgebrannte Restbestanteile als leere Hüllen von Kleinstplaneten aus der Bahn geworfen scheinen.
In Verbindung mit dem Titel „Asteroiden“ aber werden diese Spuren in der Betrachtung in völlig andere, riesige Dimensionen transformiert. Mit den rauen, in Schwarz, Braun, Ocker und Grau gehaltenen Oberflächen gelingt es Reutter, den Eindruck elementarer Kräfte zu verbildlichen, denen die Himmelskörper ohne schützende Atmosphäre ausgesetzt sind. Durch den archaischen Vorgang des Brennens transformiert sich das weich formbare Material des Tons und wird zum Bild puren Gesteins.
Während zahlreiche andere Künstler sich der farbigen Schönheit des Alls widmen, nähert Reutter sich eher der Wucht und der elementaren Erscheinung dieser Himmelskörper. Wenn Reutters frühere Arbeiten in ihrer fragmentarischen Form oft an Spuren vergangener Kulturen erinnern, verweisen diese auf wirklich astronomische Zeitspannen. Ihre eigene Bahn verfolgend kreuzen die Asteroiden bisweilen auch den Weg der Erde. Reutters keramische Arbeiten gleichen weniger den in den Asteroidengürtel eingebundenen Elemente, als vielmehr jenen frei flotierenden Körpern, die sich auf ihren eigenwilligen Bahnen der Erde nähern und ihre Spuren in der (Kunst-) Landschaft hinterlassen.«
Dr. Thomas Köllhofer, Kunsthalle Mannheim