»Ton ist das ursprünglichste plastische Material, das der Mensch formend verwenden kann. Plastisches Arbeiten ist wie der Versuch einer Wiederholung des Schöpfungsaktes. Die Weichheit des Tons, der sich direkt unter der Einwirkung der Hände formt und Gestalt annimmt, bleibt auch bei dem fertig gearbeiteten und gebrannten Werk sichtbar. Die Arbeit Druck von Außen vermittelt selbst bei der in Bronze gegossenen Form den weichen, aber auch spröden Charakter des ursprünglich verwendeten Materials. Das Werk mit seiner mächtigen, körperlichen Präsenz wirkt aus einer Spannung zwischen Härte und Formbarkeit, zwischen Verharren und Nachgeben.
Ein kräftiger, stark durchfurchter Mittelstrang, der nach oben in flachen Spitzen ausläuft, wird seitlich von zwei massigen „Flügeln“ flankiert. Alle Einzelteile bedingen sich gegenseitig. Das Mittelteil scheint aus dem Druck der Außenseiten erwachsen zu sein, während die beiden seitlich sich anfügenden Elemente wie Lungenflügel am Mittelstrang hängen. Tiefe Furchen sind wie Falten als Spuren einer durchlebten Geschichte in alle Teile eingegraben. Druck von Außen hat einen biomorphen, organoiden Charakter, der die Assoziationen eines Körpers – aus einigen Ansichten entsteht der Eindruck eines nach vorne gekrümmten Oberkörpers – evoziert oder aber den Eindruck eines unter hoher Krafteinwirkung entstandenen geologischen Gefüges. Ob Gesteinsformation oder organoide Form, die Arbeit strahlt lebendige Körperlichkeit aus, in welcher die Zeit ihre Spuren eingegraben hat. Trotz der Erinnerung an Dingliches, an bekannte Formelemente aus unserer Erlebniswelt, verselbständigen sich in der Plastik Reutters die Formen und lassen ein autonomes und doch scheinbar zwingend so seiendes Gefüge entstehen.«
Dr. Thomas Köllhofer, Kunsthalle Mannheim