»Klares, weißes Licht dringt durch die großen Schaufenster des Ausstellungsraums Reutter in der Kleinfeldstraße 50. Auf einem Tisch sind drei Arbeiten von Gerd Reutter platziert – eine davon trägt den Titel „Einreise 2015“.
Die braun-grau engobierte Tonskulptur ruht auf einem dünnen, rostbraunen Eisengrund, der ihr Gewicht und die inhaltliche Gewichtung unterstreicht. Die Oberfläche reflektiert das Licht und bricht es mannigfaltig durch scharfe Kanten und unzählige Einbuchtungen, Krater, Wölbungen. Der warme rostbraune Ton des Metalluntergrunds kontrastiert mit dem kühlen Grau der Glasur.
Zwei vertikale Segmente verbreitern sich nach unten und schließen einen engen Zwischenraum ein. Säulen gleich stehen sie schwer und unverrückbar. Als Verbindungsstück verläuft in der oberen Hälfte ein breites, flaches Segment und bildet zusammen mit den beiden anderen ein Tor, eine Tür, einen Durchgang… Wohin? Gerd Reutter treiben stets aktuelle Themen um. In dieser Arbeit greift er die Flüchtlingsthematik auf. Die Skulptur verweist auf den Moment der Ungewissheit, des Aufbruchs. Es ist ein Tor in eine neue Welt.
Die Oberfläche der Tonskulptur ist uneben, zerfurcht. Etwas hat Spuren hinterlassen. Krater und Furchen deuten auf ein schnelles Arbeiten hin. Der Moment der Inspiration ist Gerd Reutter wichtig. Zuvor entsteht im Kopf die Idee und eine Art mentale Skizze. Anschließend arbeitet der Künstler entschlossen und einer Art innerer Eingebung folgend.
Die Tonskulptur steht stabil und schließt Raum ein. Man wähnt sich sicher, wenn man ein solches Tor passiert. Doch was erwartet einen dahinter? Unabhängig vom Zeitgeschehen durchschreitet jeder von uns tagtäglich Tore, ohne genau zu wissen, ob dahinter tatsächlich eine Verbesserung eintritt – und doch sind diese Tore unvermeidbar und sogar Teil des täglichen Fortschritts, dem das Leben unterworfen ist. Gerade die Oberflächenstruktur verweist zusätzlich auf die Spuren, die all diese Veränderungen hinterlassen.«
Anastasia Schmidt, M.A. / Kunsthistorikerin