»Die 135 cm lange, nur 14 cm tiefe, zudem flach gehaltene Skulptur vermittelt spontan den Eindruck einer archäologischen Trouvaille: Sie wirkt wie ein herausgetrenntes Terrassenstück aus den Hängen der hoch in den Anden gelegenen, um 1450 gegründeten heiligen Inka-Metropole Machu Picchu. Zu ihr schreibt der Brockhaus: „Da in Terrassenbautechnik angelegt, fanden die vielen heiligen Bezirke, Plätze und Wohnbereiche ... auf engstem Raum Platz.“
In Reutters Skulptur ist tatsächlich ebenfalls eine solche architektonisch-inhaltliche Verdichtung intendiert. Beginnend an dem von zwei pfeilerähnlichen Wangen flankierten, hochgelegten Absatz einer Treppe führen Stufen hinab auf eine Fläche, die der Höhe des Bodenniveaus entspricht. Diese Fläche führt zu einem flachgedeckten Schutzraum, der seinerseits zu einer niedrigen, grundrissähnlichen Aufschüttung mit tiefen, rechteckförmigen Einschnitten überleitet – auf unheimliche Weise suggeriert dieser Abschnitt eine Opfergrube. Es folgt wiederum eine Fläche, an deren Ende ein annähernd quadratischer, rahmenähnlicher Raumkörper steht, aus dem eine eingepasste Kugel herausragt.
Die Skulptur hat unbestreitbar kultischen Charakter. Allein die Wangen zu Beginn der Treppe implizieren ein Leitsystem, durch das – wie durch eine Kimme – Lichtstrahlen auf die Kugel am Ende der Skulptur projiziert werden. Auch hier könnte wieder die Geschichte der Inkas eine Rolle spielen: Seit ca. 1450 wechselte deren Religion von der Vorstellung eines Schöpfungsgottes zu jener eines Sonnengottes, für den entsprechende Kultstätten zur Verehrung geschaffen wurden. Durch ihre beachtliche Größe musste die Skulptur in vier Teilen gebrannt werden – die sichtbare Addition ihrer Elemente betont zusätzlich den archäologischen Charakter dieses Werkes Gerd Reutters, d.h. eines in seinen Fragmenten existierenden harmonischen Ganzen.«
Dr. Jochen Kronjäger, Kunsthalle Mannheim